Berlin/Washington. Trump lästert gerne über „Sleepy Joe“. Doch US-Präsident Biden hat durchaus wache Momente – und setzt mit Humor zum Konter an.

Zu den wenigen Qualitäten des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump gehört sein Unterhaltungsfaktor. Nie um einen frechen Spruch verlegen, quält der frühere Reality-TV-Star Gegner auf beiden Seiten des Parteienspektrums mit wenig schmeichelhaften Spitznamen und kontrafaktischen Zoten.

Da mag zum einen böser Wille dahinterstecken, zum andern aber auch Kalkül. Mediale Aufmerksamkeit ist dem Unflätigen und Ungehobelten sicher, seine Anhänger erwarten die Giftspritzen auch von ihm. Gleichzeitig bringen die Beleidgungen den Gegner in Zugzwang: Lässt man sich auf das Niveau herab – und vergrault damit jene in der Wählerinnenschaft, die Wert auf (einen letzten Rest) Stil legen? Oder geht man in die Vollen, verteilt verbale Volten – und wirkt am Ende nur wie die verzweifelte Kopie des Originals?

Der amtierende US-Präsident Joe Biden könnte die Antwort gefunden haben: eine Mischung aus Trump-Gags, Selbstironie und beißendem Spott. Amerikanische Medien beobachteten „Sleepy Joe“ zuletzt dabei, wie er seinen Wahlkampfauftritten eine komödiantische Note verlieh – und nicht nur gemessen an den beleidigten Reaktionen seines Rivalen scheinen die Spitzen ihre Wirkung nicht zu verfehlen.

Trump erlebt „stürmische Zeiten“

So schreiben etwa die beiden Associated-Press-Journalisten Chris Megerian und Josh Boak anerkennend: „Biden nutzt Humor, um Trump als eine Hanswurst hinzustellen, die des Oval Offices unwürdig ist, ohne dabei den Wahlkampf zur Lachnummer verkommen zu lassen.“ Eine Gratwanderung sei das, mit der Biden seine Chancen auf eine zweite Amtszeit erhöhen wolle.

Den bemerkenswertesten Auftritt legte „Comic Joe“ beim Korrespondentendinner des Weißen Hauses am Samstag hin. In seiner Rede feuerte Biden gleich mehrere Salven ab und nahm sich – ganz amerikanisch – dabei auch selbst aufs Korn. Die oft kritische, meist besorgte, Berichterstattung über sein Alter verdrehte der 81-Jährige in eine beißende Attacke auf Trump, den eigentlich 77-Jährigen: „Natürlich spielt das Alter eine Rolle im Wahlkampf – ich trete als erwachsener Mann gegen einen Sechsjährigen an.“

US-Präsident Joe Biden spricht beim Correspondents‘ Dinner in Washington.
US-Präsident Joe Biden spricht beim Correspondents‘ Dinner in Washington. © DPA Images | Manuel Balce Ceneta

Und schob hinterher, Donald habe ein paar schwere Tage gehabt. „Man könnte auch von stürmischem Wetter reden“ – eine Anspielung auf den Schweigegeld-Prozess um die Pornodarstellerin Stormy Daniels. Der Prozess, in dessen Verlauf, so wird berichtet, Trump mehrfach eingedöst sein soll, gereichte Biden dann noch zu einem weiteren Geschoss. Er verpasste Trump auf der Bühne den Spitznamen „Sleepy Don“ und nutzte damit ebenjene Taktik, mit der Trump normalerweise seine Maga-Hallen zum Kochen bringt. „Sleepy Don, das gefällt mir. Vielleicht nutze ich das weiter.“

Der so angeschossene Kontrahent gab denn auch weidwund auf seiner eigenen Bühne, dem Trump-Netzwerk Truth Social, Kontra. Das Dinner sei „wirklich schlecht“ gewesen und Joe Biden „eine einzige Katastrophe“.

„Donald, ich kann dir nicht helfen“

Nun macht eine Schwalbe keinen Sommer, und das Korrespondentendinner ist für Auftritte, wie ihn Biden hingelegt hat, gemacht. Traditionell stellt sich der amtierende US-Präsident dem versammelten Washingtoner Pressekorps, lässt sich durch den Kakao ziehen – diesmal war „SNL“-Moderator Colin Jost am Mikro – und darf selbst austeilen. Einzig Trump hat die Veranstaltung gemieden wie der Teufel das Weihwasser.

Doch Biden verstand es zuletzt, nicht nur Heimspiele in Punktsiege zu verwandeln. Auch seine Wahlkampfauftritte in den Bundesstaaten würzte der Amtsinhaber mit einer Prise Humor. Vor einer Gewerkschaftsversammlung etwa mokierte sich der 81-Jährige über die Pandemie-Politik seines Vorgängers – und dessen wasserstoffblonde Tolle. „Wisst ihr noch, wie er vorgeschlagen hat, man solle sich Bleichmittel gegen Covid spritzen? Nun, er hat danebengespritzt – und seine Haare getroffen.“

Bei einer Spendengala in Dallas, Texas – und damit tief im Trump-Land – hob Biden im vergangenen Monat auf die Geldprobleme seines Konkurrenten ab. „Gestern kam einer zu mir, der sah ziemlich am Ende aus, erledigt. Der sagte zu mir: ‚Mr. President, ich brauche Ihre Hilfe. Meine Schulden erdrücken mich. Ich hab keinen Penny mehr.‘ Da hab ich leider antworten müssen: ‚Donald, ich kann dir nicht helfen.‘“

Humor als scharfes Schwert im Wahlkampf

Die Spitzen dürften indessen nicht nur der reinen Erheiterung dienen. Joe Biden hat in Trump einen mehr als ernst zu nehmenden Gegner, das Rennen ums Weiße Haus wird ein knappes. Um als Erster ins Ziel zu laufen, muss Biden der durch seine Israel-Unterstützung vergraulten linken Wählerschaft etwas bieten.

Gleichzeitig gilt es, die Untenschiedenen und Anti-Trump-Republikaner ins Lager der Demokraten zu holen – und dafür muss Trump den Wählerinnen und Wählern als (in Zeiten multipler Krisen) schlechtmöglichster Anführer erscheinen. Sein Umgang mit Geld und sein Geprahle über vermeintlichen Geschäftssinn, seine wahnwitzigen Ideen zur Gesundheitspolitik, das sind offene Flanken Trumps, in die Biden stoßen muss. Humor kann hier eine Waffe unter vielen sein.